In Erfurt gibt es ein Nazilokal mit dem Namen "Kammwegklause". Die Filmpiraten haben da eine kurze Doku zu gedreht.
In der Kneipe versammeln sich die Faschos der Stadt, saufen, veranstalten Rechtsrockkonzerte und haben auch nicht davor zurück geschreckt einen alten Mann mit Behinderung zu überfallen und ihm mit der Gaskammer zu drohen.
Mir sind zwei Dinge besonders aufgefallen. Es zeigt sich, dass es viele Menschen gibt, denen es sehr schwer fällt Nazis beim Namen zu nennen und es ist ein Problem, dass die Deutsche Bürokratie Opfer von Gewalt nicht ausreichend schützt, was viele Anzeigen verhindert.
Dass es vielen Menschen schwer fällt Nazis als solche zu bezeichnen kann meiner Meinung nach verschiedene Gründe haben. Also ich spekuliere jetzt auch nur, aber ich vermute es gibt zum einen viele Menschen, die tatsächlich nicht ausreichend auf das Deuten szeneinterner Erkennungszeichen sensibilisiert sind. Das sind die Leute, die einen Glatzkopf mit Thor Steinar Jacke und Reichskriegsfahne in der Gartensparte haben aber daraus keine politische Gesinnung ableiten wollen.Dann könnte ich mir vorstellen müssten viele Leute sich selbst einen Spiegel vorhalten für eine solche Kritik. Die Nazis tun ja auch gerne so als wären sie eigentlich ganz gemäßigt. Wenn da jetzt einer ist, der sich selbst denkt, dass ihm hier eigentlich zu viele Asylanten wohnen, dann sieht der sich selbst wahrscheinlich trotzdem nicht als Nazi und würde das so den offenen Faschos wahrscheinlich auch nicht anhängen wollen. Und dann kann ich mir tatsächlich vorstellen, dass das eine Folge antifaschistischer Arbeit ist. Das ist keine Abwertung. Als Antifaschist ist es natürlich mein Ziel, dass Menschen begreifen, dass Nazi sein nicht akzeptabel ist. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass Menschen, die das Herz am rechten Fleck haben aber sich selbst als unpolitisch bezeichnen würden, das Wort "Nazi" als sehr starkes, abwertendes Wort empfinden, als Wort, dass man öffentlich lieber nicht laut sagt. Da setzt dann wahrscheinlich ein Schamgefühl ein. Falls da jemand noch bessere Erklärungsansätze hat, immer ran damit.
Was meinen zweiten Punkt angeht, dass die Bürokratie Opfer von Gewalt nicht ausreichend schützt und deswegen Anzeigen erschwert, da kann ich eine eigene Geschichte erzählen.
Im Jahr 2015 wurde ich Zeuge wie 2 Faschos am Hauptbahnhof meiner Heimatstadt einen Menschen verprügelt haben. Ich stand ca. 50m weit weg und habe 2 große, weiße Glatzköpfe gesehen die einen dunkelhäutigen Menschen hin und her schubsten und nach ihm traten. Ich habe nach 3 Jahren immer noch das Bedürfnis mich zu rechtfertigen, dass ich den Faschos nicht in die Fresse gehauen habe. Damals hatte ich Angst. Aber Nazis, falls ihr mitlest, seid gewiss: Heute nicht mehr. Doch worauf ich hinaus will ist, dass auch wenn ich damals nicht dazwischen gegangen bin, so war ich doch der einzige der wenigstens die Polizei gerufen hat.
Und nach dem was dann folgte kann ich es zwar nicht gut heißen aber zumindest nachvollziehen warum Menschen lieber weg schauen statt die Polizei zu rufen. Ich habe die Polizei schon am Telefon darauf hingewiesen, dass ich aus Sicherheitsgründen lieber anonym anzeigen würde. Da wurde mir damit gedroht, dass man meine Nummer halt prüfen lassen würde wenn ich jetzt meinen Namen nicht sage. Dann kamen etwas später zwei Polizisten in Zivil bei mir zuhause vorbei. Die waren zumindest freundlicher als der am Telefon, dennoch haben sie auf meine Bitte mich nicht vorzuladen und meine Aussage anonym entgegen zu nehmen einfach geschissen. Interessant war auch, dass ich sie mehrfach und eindringlich auf die eindeutige politische Motivation dieser Tat hingewiesen habe und sie einfach nicht einsehen wollten, dass es sich um Nazis gehandelt hat ("Das war wohl eher Trinkermillieu"). Danach wurde ich noch zwei mal vor Gericht geladen wobei beide Täter mein Gesicht gesehen und meinen Namen gehört haben. Das ganze ist in einer Stadt mit 20 000 Einwohner*Innen passiert. Denkt selbst drüber nach wie schwer es da ist herauszufinden wo einer wohnt.
Es ist Gott sei dank bis heute meiner Familie nichts passiert und mir auch nicht, dennoch kann es doch nicht sein, dass man Menschen die nicht wegschauen wollen dieser potentiellen Gefahr aussetzt. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Leute in Erfurt in der Regel auch lieber nicht die Polizei rufen.
Abschließend möchte ich allen offenen Gegner*Innen dieser Kneipe meinen Respekt aussprechen. Lasst euch nicht unterkriegen und lasst es mich wissen, wenn ihr wieder was plant und Unterstützung braucht.