[I] Seit ein paar Tagen pendel ich täglich mit dem Zug und ich nutze diese Zeit bisher hauptsächlich zum Lesen. Ich habe eine ganz Regalreihe nur mit Büchern, die ich noch lesen muss. Ich habe bis jetzt eins der Bücher fertig gelesen und eins angefangen. Fertig gelesen habe ich Der Phrasenprüfer : Szenen aus dem Leben von Wau Holland von Daniel Kulla. Und das Buch das ich gerade erst angefangen habe ist Hackers Heroes of the computer revolution von Steven Levy.
Der Phrasenprüfer hat mir wirklich gut gefallen und war gerade so unmittelbar nach dem Congress eine sehr passende Lektüre. Es geht in dem Buch, wie der Titel vermuten lässt, um das Leben und Wirken des Wau Holland. Wau war einer der Mitbegründer des CCC und hat (aus wahrscheinlich nicht nur meiner Sicht) das Selbstverständnis und die Philosophie der Hacker*Innen hier zu Lande maßgeblich beeinflusst. Ich kannte Wau nicht und kann nicht sagen, ob das Buch ihm gerecht wurde aber Wau scheint eine interessante Person gewesen zu sein.
Rund um den Congress gab es Debatten um die politische Ausrichtung des Clubs. Die gibt es eigentlich immer, aber dieses Jahr kam mir das Geschrei diesbezüglich lauter vor. Jedenfalls fand ich das Buch für diese Debatte ganz hilfreich. Viele Außenstehende, aber auch Clubmitglieder, die sich nicht mit den m.E. nach eher linken Werten des Clubs identifizieren können werfen dem Club immer wieder vor "plötzlich" politisch bzw. zu politisch zu sein. Ich denke diese Vorwürfe beziehen sich auf klare Statements bezüglich rechter Akteure Arschlöcher, der Tatsache dass man Hacker*Innen Themen auch in einen feministischen Kontext stellt und der generellen Anwesenheit von politischen Akteuren, die auf den ersten Blick nicht viel mit Hacking, im technischen Sinne gemein haben.
Auf der anderen Seite gibt es vor allem Linke, wie ich finde zurecht argumentieren, dass der Club schon immer politisch war und auch schon immer eher links. Da ist schon was dran. Beispielsweise wurde der Club in den Redaktionsräumen der TAZ gegründet und viele Standpunkte wurden in der Vergangenheit gerne mal als sozialromantisch oder kommunistisch verschrien.
Um mal auf den Punkt zu kommen. Ich fand das Buch deshalb hilfreich, weil dort viele Leute aus den Anfangstagen des Clubs zu Wort gekommen sind, die sich zwar selbst eventuell als links verorten würden, aber die so scheint es erstmal jeden/jede zu Wort kommen lassen würden oder die die politische Gesinnung evtl. hinten anstellen würden. So hat Wau selbst immer wieder Kritik erfahren, weil er auch dem rechten Spektrum das Rederecht nicht absprechen wollte. Oder Lutz Donnerhacke, der sagte:
[I] Cooles Projekt! Ich stelle mir gerade vor, wie es in 50 Jahren ganz selbstverständlich ist, dass dir deine Oma zu Weihnachten eine programmierbare Tischdecke stickt.
[I] Ich möchte euch von Jenkins erzählen. Das ist bzw. war mein Nachbar. Jenkins ist nicht mehr da, denn er wurde gestern
von einem Krankenwagen und der Polizei abgeholt.
Ich möchte euch von ihm erzählen, weil ich zum einen selten so ambivalente Gefühle für jemanden hatte und, weil ich
glaube, dass Jenkins viele Debatten greifbar macht. Außerdem hat er es verdient, dass man ihm Aufmerksamkeit schenkt.
Doch zurück zum Anfang.
Ich wohne seit Ende 2016 in meiner jetzigen Wohnung. Es ist eine Wohngemeinschaft im 5. Stock eines Altbaus und wir
wohnen hier zu zweit. Wir haben eine kleine Küche mit Blick in den Innenhof. Mit einem Abstand von vielleicht 10 oder
15 Metern steht ein weiteres Haus. In diesem Haus hatte Jenkins seine Wohnung. Seine Fenster gingen ebenfalls in den
Innenhof und wir waren auf gleicher Höhe, also konnten wir uns gegenseitig sehen und hören.
Anfangs habe ich nicht mal mitbekommen, dass da jemand wohnt. Doch ab dem Frühjahr 2017 hörte ich das erste mal etwas
aus der Wohnung gegenüber. Es war AC DC's Highway to hell. Es war laut, sogar sehr laut und er hatte alle Fenster offen.
Aber was solls, AC DC klingt zwar immer gleich, aber auch immer cool und ich bin 25 Jahre alt. Ich dreh doch nicht frei,
weil jemand mal laut Musik hört.
Das dachte ich zumindest am Anfang. Doch spätestens im Sommer, als ich meine Fenster nicht mehr schließen konnte, weil
die Hitze im Dachgeschoss einfach unerträglich wurde, hat es mich genervt. Also kam irgendwann doch erst eine Bitte und als
das nicht funktionierte ein etwas derberer Spruch. Das hat dann auch funktioniert. Es war Ruhe oder zumindest nicht mehr ganz
so laut.
Das ging dann eine Weile so weiter. Es passierte eigentlich nichts Spannendes in unserer Nachbarschaft, außer dass wir zwei
neue "Akteure" in unserer WG wahrnahmen: den Stickernazi und den mysteriösen Wohnungsdieb. Das haben wir erstmal nicht weiter
ernst genommen. Der Stickernazi hat seinen Namen, weil er kontinuierlich unsere Sticker vom Briefkasten gekratzt hat und in unseren
Briefkasten warf. Es waren Antifa und Fußballsticker. Wir haben das eigentlich erstmal recht sportlich genommen. Es gab Zeiten, da
bin ich einkaufen gegangen habe einen Sticker geklebt, kam nach 15 Minuten wieder, er war ab, ich habe wieder ein dran geklebt und
10 Minuten später kam mein Mitbewohner nachhause und er war wieder ab. Dass sich jemand so über Sticker aufregt fanden wir eher
witzig.
Der mysteriöse Wohnungsdieb hat uns schon mehr Sorgen gemacht, aber auch erstmal keine Paranoia ausgelöst. Es haben einfach immer
wieder Dinge aus unserer Wohnung gefehlt. Beispielsweise meine Medikamente, Kleidungsstücke und ein paar Kleinigkeiten. Aber wir
hatten auch immer mal wieder Besuch und dachten uns, dass wir entweder einfach verpeilt sind und die Sachen irgendwo vergessen oder
verbummelt haben oder, dass irgend ein*e Besucher*In sich vielleicht was eingesteckt hat.
Zwischendurch brannten noch die Mülltonnen vor unserer Haustür. Die Funken schlugen hoch bis zum 5. Stock und die Fenster im ersten
platzten durch die Hitze. Da wurde ich tatsächlich etwas paranoid. Die Identitären stickern regelmäßig vor meiner Haustür und ein
relativ bekannter Nazitreffpunkt ist 5 Minuten zufuß von meiner Wohnung. Doch den Gedanken, dass es sich um eine Art "Warnung"
handeln könnte verwarf ich recht bald wieder. Und heute glaube ich das auch nicht mehr.
Bis Dezember 2017 passierte erstmal nichts weiter. Doch dann kam der Tag vor Silvester. Es war ungefähr 23:00 Uhr, ich hatte bereits
geschlafen und wurde wach, weil draußen irgend etwas vor sich ging. Ich schaute raus und sah 5 Polizeiautos, 3 Einsatzfahrzeuge der
Feuerwehr und 2 Rettungswagen. Ich war alleine zuhause. Erst dachte ich, dass vielleicht ein Unfall passiert wäre oder, dass jemand
Selbstmord begehen möchte oder ähnliches, doch dann fiel mir auf, dass trotz der vielen Autos nur 2 Polizist*Innen zu sehen waren.
Ich ging also in die Küche und schaute in den Hof und es bot sich mir ein ziemliches Spektakel.
Es lief wieder laute Musik und Jenkins drehte komplett frei. Ich bin heute recht überzeugt, dass er an Schizophrenie leidet.
Er hat zum Beispiel immer wieder gebrüllt:"Ihr Wichser, ich bring euch alle um" und dann probiert eine Hantelbank aus dem 5. Stock
auf die Polizei zu werfen und im nächsten Moment hat er wie ein aufgebrachter Gastgeber einer Party gemeckert, dass das doch nicht
sein kann und was das mit der Hantelbank gerade sollte, dann hat er wieder laut gesungen.
Ich dachte erst die Polizei wäre, wegen der lauten Musik da, doch später stellte sich raus, dass er vorher durch sein Haus lief, an
Wohnungen klopfte und die Anwohner*Innen mit einem Schraubendreher bedrohte. Als er mit einem Messer ans Fenster kam und brüllte,
dass er seine "Banditos" holt zogen die Polizist*Innen sich zurück.
Dann passierte eine Weile nicht viel, er schrie weiter rum und auf der Straße war ziemlicher Trubel. Ich bestellte mir derweil
erstmal eine Pizza. Nachdem sie ankam saß ich am Fenster, aß und konnte sehen wie schwarze Mercedes Vito vorfuhren. Darin kam
das SEK angefahren. In voller Montur und mit Gewehr im Anschlag gingen sie in das Haus. Es folgte noch eine letzte Aufforderung
die Tür zu öffnen, der Jenkins nicht nachkam. Danach hörte man 2 mal lautes Pochen vom Rammbock gefolgt von einer Rauchgranate,
dann stürmte das SEK die Wohnung. Jenkins hatte bis zum Schluss einfach weiter gesungen. Er wurde abgeführt und in eine
psychiatrische Klinik gebracht.
Nach 4 Wochen war er wieder da. Und tatsächlich war es erstmal recht ruhig. Doch auch der Stickerkrieg ging wieder los und ich
bemerkte zum ersten mal Einbruchsspuren an unserer Haustür. Da regte sich das erste mal der Verdacht, dass Jenkins vielleicht
der mysteriöse Wohnungsdieb und der Stickernazi sei. Nach ein paar Tagen fing Jenkins dann an Abends verwirrte Dinge zu erzählen
und kollektive Drohungen in den Hof zu rufen. Dabei warf er immer wieder Gegenstände aus dem Fenster. Meist Müll.
Eines Abends kam mein Mitbewohner in mein Zimmer. Er sah ziemlich verstört aus und sagte:"Fabrice, eben habe ich in der Küche das
Licht ausgemacht, da kam durchs Fenster 'Tino* mach das Licht wieder an!'. Dann hat er es angemacht und Jenkins sagte:"So ist es
schön.".
*Name geändert
Das war neu. Er hatte uns nie persönlich angesprochen und was uns mehr sorgte war die Tatsache, dass er einen Vornamen kannte.
Der steht nirgendwo, was uns vermuten ließ, dass er an unserer Post war oder den Müll durchwühlte. Von da an beobachtete er uns und
sagte ab und an mal was. Beispielsweise hat er uns beim Essen einen guten Appetit gewünscht, uns gute Nacht gesagt oder uns einen
ziemlich verwirrten Vortrag über "die Koordinatoren der Welt" gehalten. Damit sind wir dann zwar schon besorgt, aber eigentlich recht
ruhig umgegangen. Wenn er uns einen guten Appetit gewünscht hat haben wir uns bedankt und auf ein "Gute Nacht" kam von uns sowas
wie:"Dir auch und träum was schönes!" zurück.
Ab einem bestimmten Punkt habe ich seine Aktionen allerdings schon als Stalking empfunden. Beispielsweise ist er uns beiden in den
Rewe gefolgt. Wir waren erst nicht sicher, weil wir ewig nicht wussten wie er überhaupt aussieht, weil er sich immer versteckt hat,
doch das Verhalten war immer das gleiche im Rewe und die Beschreibung passte. Ein verwirrter Typ, steht immer so auf 4-5 Meter
Abstand, guckt heimlich, sieht irgendwie zersaust aus. Und jedes mal war sein Licht aus wenn wir nachhause kamen und ca. 3 Minuten
danach wieder an.
Oder an einem Abend wollte ich aufs Klo gehen und sah, durch einen Türschlitz, dass im Hausflur Licht brannte. Ich schloss also die
Wohnzimmertür, wartete eine Minute, öffnete sie wieder, schloss sie und blieb im Flur stehen. Es wirkte als wäre ich wieder im
Wohnzimmer. Dann hörte ich ein Husten direkt vor der Haustür und sah, am Schatten, dass jemand vor unserer Tür rum schlich.
Ich möchte an dieser Stelle kurz festhalten, dass ich der Überzeugung bin, dass Jenkins Hilfe braucht und, dass es genug legitime
Gründe gibt Angst vor ihm zu haben, bzw. sich mit ihm im gleichen Haus unwohl zu fühlen. Ich habe zeitweise selbst überlegt zur
Polizei zu gehen, doch kam dann zu dem Schluss, dass er mir bzw. uns im Grunde nichts getan hatte. Wir hatten keine Beweise, dass
er es wirklich war im Rewe, keine Beweise, dass er vor der Tür stand und klar ist es merkwürdig, aber wofür soll ich ihn anzeigen?
Dafür, dass er unsere Namen kennt und uns Vorträge hält, beleidigt und dann eine gute Nacht wünscht?
Bei Gesprächen mit dem Hausmeister und dem Vermieter bekamen wir ein paar Informationen über ihn. Zum Beispiel seinen Namen(Der so
ähnlich klingt wie Jenkins). Wir haben außerdem erfahren, dass ihm eine Zwangsräumung bevorsteht und dass sich früher seine Oma um
ihn gekümmert hat, die sei nun aber gestorben. Ab da tat er mir leid. Der Typ ist krank, sieht wahrscheinlich überall Bedrohungen,
ist komplett vereinsamt und erfährt von allen Seiten Ablehnung.
Sowohl der Hausmeister als auch der Vermieter sagten beide Sätze wie:"Den müsstet ihr von hier drüben mal erschießen." oder "Den
müsste mal einer aus dem Fenster schmeißen.".
Gestern ist er dann wieder richtig durchgedreht und ich hatte auch wirklich Sorge, dass er wieder übertreibt. Im Hausflur hing ein
Zettel. Neue Mieter*Innen waren eingezogen und wollten eine Einweihungsparty schmeißen. Sie haben darum gebeten NICHT die Polizei zu
rufen, falls es zu laut wird sondern erstmal zu klingeln. Ich habe ihnen sogar noch einen Zettel geschrieben, dass sie Jenkins
einfach ignorieren sollen und dass er nichts dafür kann. Umso mehr hat es mich gewundert, dass die gleichen Leute nach einer halben
Stunde von Jenkins Gebrüll die Polizei riefen.
Zugegeben er hatte sie schlimm beleidigt und auch uns beschimpft. Allerdings habe ich ihm zurück gerufen, dass er sich runter fahren
soll. Da hat er auch wirklich die Klappe gehalten. Es gab aus meiner Sicht keinen Grund die Polizei zu rufen.
Als die Polizei ankam bin ich runter gegangen und habe sie eindringlich darum gebeten ihm bitte zu helfen und ihn nicht
einzuknasten. Also ich habe ihnen die Situation erklärt und darum gebeten eine*n A(e)rzt*In dazu zu holen.
Anfangs waren sie genervt und wollten mich abwimmeln, als ich anfing sie zu filmen, waren sie plötzlich sehr freundlich und haben
einen Arzt dazu gerufen. Die Nachbarn haben unterdessen über ihn geredet als wäre er ein wildes Tier, das man einsperren müsste und
haben sich richtig gefreut, dass er weg war.
Später wurde Jenkins in einem Krankenwagen weg gefahren. Er war umzingelt von 6 Polizist*Innen und hatte eine Reisetasche dabei.
Die vergangenen Monate haben mich viel nachdenken lassen. Wie gehen wir mit psychisch kranken um? Warum zum Beispiel hat
eine*n A(e)rzt*In nach dem SEK Einsatz entschieden, dass es angemessen wäre Jenkins alleine und ohne Betreuung zurück in seine
Dachgeschosswohnung zu schicken?
Wie viel Verantwortung übernehmen wir für unsere Mitmenschen? Wie gehen wir mit Leuten um, die schwer oder gar nicht für sich
selbst sorgen können, wenn sie in Not geraten? Ich bin ehrlich in Sorge, dass Jenkins in 4 Wochen wieder hier ist, zwangsgeräumt
wird und dann einfach auf der Straße sitzt. Ich habe Zweifel, dass er weiß wie man Arbeitslosengeld beantragt, dass er arbeiten
könnte oder dass sich dann wer um eine neue Wohnung, geschweige denn um eine Betreuung für ihn kümmert. Frage an euch: Kann mir
jemand Tipps geben? Kann ich die Polizei bei seiner Zwangsräumung um irgendetwas bitten? Gibt es eine Stelle im Sozialsystem auf
die man sich berufen kann?
Jenkins hat bei mir Eindruck hinterlassen. Ich glaube nicht, dass irgend jemand Isolation und Ausgrenzung verdient hat. Darüber kann
man von mir aus diskutieren, aber ich glaube auch nicht, dass Angst alles rechtfertigt. Jenkins ist ein Mensch und ich hoffe, dass er
nun die Hilfe kriegt, die er braucht und dass er nicht mehr alleine ist.
Dass wir ihn dafür seiner Freiheit beraubt in eine Einrichtung fahren müssen und keine besseren Lösungen finden ist unserer reichen,
gebildeten Gesellschaft meiner Meinung nach unwürdig.
Vergesst Jenkins nicht. Er ist einer von vielen.
[I] Eigentlich wollte ich dazu nichts sagen, aber wie so oft regt es mich dann doch zu sehr auf als, dass ich wirklich nichts sage.
Es geht um Kollegah und seine antisemitischen Äußerungen. Konkret geht es um den Satz:
[I] Christopher Lauer schlägt im Tagesspiegel vor Facebook zu verstaatlichen.
Seine Begründung dahinter ist, dass der Grund Daten in diesem Ausmaß zu sammeln, vor allem in der Notwendigkeit Gewinn zu erwirtschaften liegt. Ein Staat müsse Infrastruktur halt nur zum Selbstzweck finanzieren. Außerdem können man so demokratisch Einfluss auf die Arbeitsweise des Netzwerks nehmen.
Da ist grundsätzlich natürlich was dran und auch Lauer schreibt, dass er natürlich auch keinen Staat will der auf riesigen Mengen von Daten sitzt und die beliebig an Geheimdienste weiter geben kann. Ich wage mich jetzt aber mal weit aufs Eis und behaupte, dass genau das passieren würde.
Das hat aus meiner Sicht mehrere Ursachen. Zum einen ist das Sammeln der Daten zwar primär dem Geschäftsmodell geschuldet, allerdings spiegelt dieses Modell auch nur die Funktionsweise unserer Konsumgesellschaft wieder. Jede*r möchte etwas sein, jede*r möchte einen Lifestyle und ein Selbstbild pflegen und jede*r möchte konsumieren, ob wir das nun wahr haben wollen oder nicht. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle ob wir nun Bücher, Pornos oder politische Debatten konsumieren. Irgend eine Form von Selbstbestätigung kriegen wir geliefert. Und genau an dieser Stelle setzt Facebook an. Die Algorithmen, die bestimmen was wir wann in der Chronik gezeigt kriegen speisen sich aus unseren Daten. Genau das macht das Konsumerlebnis Facebook aus. Ginge es uns nur darum zu chatten könnten wir auch einen der Tausend Messenger auf dem Markt nutzen, ginge es nur um Nachrichten könnten wir auch rss feeds abonnieren und ginge es nur um Debatten könnten wir uns auch Foren suchen. Doch Facebook liefert uns genau das was wir brauchen um getriggert zu werden und uns animiert zu fühlen unsere Meinung in Form eines Likes, Teilens oder Kommentars zum besten zu geben. Facebook ist Entertainment und genau deshalb nutzen es auch so viele Leute.
Das heißt, insofern wir nicht das System wechseln, das diesem Wunsch nach Konsum zugrunde liegt würde ein staatliches Facebook einfach nicht mehr funktionieren und insofern wir nicht gerade Konkurrenz verbieten (was einfach absurd wäre) würde einfach das nächste große Ding aus dem Boden schießen und das staatliche Facebook wäre ein Flop.
Außerdem stellt sich die Frage ob man das denn wirklich möchte? Wir schimpfen seit Jahren völlig zurecht immer wieder über die Vorratsdatenspeicherung. Jetzt würden wir dem Staat die Daten einfach schenken, insofern wir uns keine tolle, innovative Lösung einfallen lassen die dezentral funktioniert und quasi auf privater Infrastruktur läuft. Denn an dieser Stelle hinkt Lauers Vergleich zur Infrastruktur im Verkehrswesen oder beim Telefonnetz. Denn natürlich muss ein gewisses Vertrauen gegenüber dem Staat am Ende des Tages immer gegeben sein. Doch wenn ich mit meinem Auto auf die Autobahn fahre sitzt kein Beamter mit drin, der die ganze Zeit aufzeichnet wo ich hinfahre und wen ich dabei mitnehme und wenn ich telefoniere nutze ich dafür zumindest noch mein eigenes Telefon und kann selbst entscheiden ob ich mein Gespräch aufzeichnen möchte oder nicht und wem ich den Mitschnitt dann zeige. Klar, die selbe Argumentation könnte man jetzt auch gegenüber Facebook und auch jedem beliebigen anderen Unternehmen bringen aber die kann ich auch regulieren und den Staat von meinen Daten fernhalten. Den Staat kann ich nur regulieren. Die Daten hat er trotzdem erstmal da und ich muss ihm halt vertrauen, dass er sie sich nicht anguckt.
Und tut mir leid, das tue ich jetzt schon nicht. Jetzt stelle man sich vor eine AfD käme an die Daten, die Facebook bunkert oder auch nur an einen Bruchteil davon. Das Ausmaß dessen was man damit anfangen könnte wäre überhaupt nicht absehbar.
Ich habe allerdings auch keinen wirklich besseren Lösungsansatz außer eben endlich auf Schwachsinn wie Facebook zu verzichten.Insofern sehe ich zwar den Gedankengang hinter Lauers Vorschlag, doch ich denke das Problem sitzt deutlich tiefer.